Ein zukunftsfähiges Bildungssystem?

Bildung ist einer der besten Wege, um unseren Kindern die Voraussetzungen für ein erfolgreiches und erfülltes Leben zu sichern.

 

Doch obwohl wir alle um die fundamentale Bedeutung von Bildung und die eines funktionierenden Bildungswesens wissen, fahren wir unser Bildungssystem gerade mit Vollgas „gegen die Wand“. Gedanken von Uwe R. Feuersenger.

An Lippenbekenntnissen zur „Schule der Zukunft“ und unausgegorenen Digitalisierungsbemühungen mangelt es nicht. Doch es fehlt der Mut, ein gesamtes System in Frage zu stellen, und die Weichen für eine neue Zukunft zu stellen, die uns bereits jetzt überrollt.

Die erschreckende Erkenntnis ist: Die Zukunft wird radikal anders! Und um ein Vielfaches schneller, als sich Zukunftsforscher haben träumen lassen: Künstliche Intelligenz, Robotik, erweiterte und virtuelle Realitäten, Blockchain und das Internet der Dinge, sowie Cyber-Währungen, -Attacken und -Krieg – sie alle geben nur einen Vorgeschmack auf das, was möglich ist und unweigerlich kommt. 

Und unsere Kinder? Sitzen weiterhin still und werden unterrichtet. Damit es auch digital ist, gerne mittels eines überteuerten Smartboards und Lernmanagementsystems. Die Relevanz der Inhalte für das tägliche und zukünftige Leben? Fragwürdig und grossteils veraltet. Anstelle einer kontinuierlichen Überprüfung der Lehrpläne, Aktualisierung und Entschlackung derselben, packt man noch mehr Lerninhalte in den Lehrplan und die Gehirne der Kinder – ob sie die brauchen oder nicht. Die langfristige Speicherung all dieser Lerninhalte ist gar nicht mehr möglich: „Binge Learning“ ist angesagt. 

Während die Motivation sinkt, steigt die Zahl der Schul- und Studienabbrecher kontinuierlich.

Die Generation Alpha ist längst digital

Während diese Generation an Kindern und Jugendlichen in einem digitalen Umfeld aufwächst, wird sie weiterhin so unterrichtet als gäbe es die Digitale Revolution gar nicht. Dabei haben sich ihre Potenziale, Fähigkeiten und Kompetenzen im Vergleich zu früheren Generationen grundlegend verändert – durch ihr „digitales Heranwachsen“, aber auch durch die damit einhergehenden Anforderungen, die künftig an sie gestellt werden.

Fakt ist: Die Generation Alpha ist bereits digital. Sie benötigt keine Digitalisierung mehr. Es geht nicht um den Einsatz von Technologie, sondern um die Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen. Kinder und Jugendliche wissen, dass jegliches Wissen auf ihren Smartphones und Tablets zugänglich ist. Sie können mit diesen Devices perfekt umgehen und sind diesbezüglich der Mehrheit der Lehrpersonen weit voraus.

Grundlagen Schaffen, Entwicklung zulassen

Natürlich brauchen alle Schülerinnen und Schüler ein gewisses Basiswissen (Lesen, Schreiben, Grundlagen der Mathematik). Diese Grundlagen vermitteln wir ihnen in der Primarschule. Ab der 5. Klasse fangen die Schülerinnen und Schüler an, ein Bewusstsein für sich und ihr Lernen zu entwickeln und beginnen, Sinn und Zweck des Lernens in Frage zu stellen. Ab diesem Alter sollte das Ziel sein, die Schülerinnen und Schüler dazu zu befähigen selbst zu erkennen, was sie noch nicht wissen oder verstehen und wann sie sich zur Unterstützung an einen Lernbegleiter wenden. 

Diese digitale Generation von Kindern und Jugendlichen benötigt kein Bildungssystem, sondern ein Lernumfeld, dass es ihnen ermöglicht, sich zu entwickeln. Sie benötigen Herausforderungen, um ihr Lernen zu stimulieren sowie Kenntnisse und Methodik zur Bewertung von Informationen und Content im Netz. Die Lehrpersonen müssen die Evolution durchlaufen – weg vom Belehren, hin zum gemeinsamen Lernen – denn sie können ebenso viel von ihren Schülerinnen und Schülern lernen wie diese von ihnen. Anstatt dass die vorherige Generation ihr Wissen mit absolutem Anspruch an die jüngere Generation „herunterreicht“, sollte berücksichtigt werden, dass die Schüler längst selbst an vorderster Front neue Wissensgebiete erschliessen und neue Technologien zur Problemlösung verwenden. Ist die Bezeichnung «Lehrer» noch zeitgemäss, oder sollte es vielmehr „Lernbegleiter“ oder „Lern-Coach“ heissen?  

Out of the box: Weiterbildung von Lehrkräften

Der Staat sollte aufhören, planlos in Technologie zu investieren, sondern den Schwerpunkt des finanziellen Engagements auf qualitativ hochwertige Weiterbildungen für die Lehrpersonen legen. Sinnvollerweise durchgeführt von Experten ausserhalb des Bildungswesens. So stellen wir sicher, dass Lehrpersonen mit ihren Schülerinnen und Schülern auf Augenhöhe arbeiten, dass gemeinsam Lernziele definiert werden, die für Jugendliche nachvollziehbar und sinnvoll sind. 

Die Schülerinnen und Schüler benötigen keine „Medienkunde“, sie sind in den Medien und insbesondere sozialen Medien „zuhause“. Sie wollen noch besser verstehen, wie man Informationen, die man erhält, kritisch hinterfragt und ggf. selbst Medienbeiträge in bester Qualität erstellen. OSINT Open Source Intelligence und Content Creation werden als Fächer nachgefragt, ebenso medizinische Themen und Erste Hilfe, nachdem sie während der Corona-Zeit selbst isoliert waren und dabei einiger Jugendjahre beraubt wurden. 

Wir brauchen einen Paradigmenwechsel

Wir glauben, dass ein Paradigmenwechsel in der Bildung nicht im Blindflug, sondern auf der Basis von Fakten angestossen werden sollte. Es verwundert daher umso mehr, dass bei all den Diskussionen um Bildungsreformen die grundlegende Frage unbeantwortet bleibt: Wie lernen Kinder und Jugendliche der Generation Alpha eigentlich? Ganz sicher nicht, wie die Generationen X, Y, Z! Welche Auswirkungen hatte die atemberaubende Digitalisierung der letzten 15 Jahre auf ihre Intelligenz, Fähigkeiten, Kompetenzen, Lerngewohnheiten und -präferenzen? 

Nur wenn wir diese Fragen beantworten und ein Lernumfeld schaffen, dass es unseren Kindern ermöglicht, sich zeitgemässes Wissen und notwendige Fähigkeiten anzueignen, die für das reale Leben und ihre Zukunft relevant sind, können wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie gut vorbereitet und mit Zuversicht in ihre Zukunft gehen können!